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Feldpostbriefe - Lettres de poilus
»... wer fällt, der stirbt den Heldentod« Vor achtzig Jahren, am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg. Daran erinnert eine neue Sendereihe des Deutschlandfunk, die in Zusammenarbeit mit Radio France und dem deutsch-französischem Jugendwerk entstand. Präsentiert werden Feldpostbriefe, die Hörerinnen und Hörer uns geschickt haben. Dokumente von Begeisterung und Hingabe, von Ernüchterung und Entsetzen. Der Erste Weltkrieg im Spiegel von Feldpostbriefen, ab dem 2. November montags bis freitags um 8:20 Uhr in den "Informationen am Morgen". Im Internet haben Sie die Möglichkeit historische Begleitinformationen, mit umfangreichen Text-, Bild- und Tonmaterial zum Ersten Weltkrieg abzurufen. Daneben können Sie montags bis freitags ab 8:30 Uhr das aktuelle Manuskript nachlesen und die Sendung im RealAudio-Format anhören. 6. Sendung - 9. November
Kriegsjahr 1915: Die Franzosen versuchen, in den
sogenannten Champagne-Schlachten die deutsche Front zu durchbrechen.
Die Verluste sind auf beiden Seiten sehr hoch. Die Fronttruppen
werden regelmäßig abgelöst, damit sie in kurzen
Ruhepausen wieder zu Kräften kommen. Obwohl sich die schweren
Kämpfe auf die Champagne konzentrieren, geht an der ganzen
Front der Stellungskrieg weiter. Die Auseinandersetzung spielt
sich dabei auf wenigen Quadratmetern ab, zwischen Stacheldrahtverhauen
, Graben- und Stollenanlagen, unter ständigem Artilleriefeuer.
Der aus der Eifel stammende Joachim Klinkhammer schreibt
am 11.November 1915 an seine Familie:
War jetzt seit einigen Tagen in Stellung als Minenwerfer
und bin jetzt im Lager. In einigen Tagen gehts wieder in Stellung.
Hier ist es nicht so schlimm in Stellung, wie in der Champagne.
Ihr könnt Euch unsere Freude nicht vorstellen, die wir hatten,
als wir abgelöst wurden. Wir haben gesungen, als wir aus
dem Granatenbereich waren und die berühmte Höhe 146
nicht mehr sahen. Wir haben die Höhe gehalten und blutig
verteidigt vom Anfang der Offensive bis zum 14. Oktober. Keinen
Meter haben sie uns abgenommen, obwohl wir am 25. September beim
ersten Angriff total überrannt wurden und die ganze Stellung
in Händen der Franzosen war, bis an unsere leichte Artillerie."
In diesem Herbst 1915 nehmen die Soldaten zunehmend
die Diskrepanz zwischen ihren Erlebnissen und der offiziellen
Kriegspropaganda wahr. Joachim Klinkhammer: "Da wird nun die Stadt beflaggt. Alles brüllt Hurra, wenn ein Sieg errungen ist. Aber was damit verbunden ist, bleibt außer acht. Daß hunderte Leichen herumliegen, in den Drahthindernissen hängen, überhaupt, wie ein Angriff zugeht, daran wird nicht gedacht. Und wer fällt, der stirbt den Heldentod. Auch ein schönes Wort, das jedoch hier keinen Anklang mehr findet. Das war einmal !
Bin nur mal neugierig, was wir später davon
haben ! Uns haben die Bayern abgelöst und die Franzmänner
haben die kurz von der Höhe geschmissen. Und so mußte
unsere Garde sie wieder nehmen. Gut , daß wir fort sind.
Hier ist's besser, wenigstens ruhig. Und wenn wir mit unseren
Minenwerfern nicht schießen, dann schießen die Franzosen
auch nicht."
Während viele Soldaten an der Front den Kriegsverlauf
kaum überblicken, offenbart sich für die nachrückenden
Truppen das ganze Ausmaß des Grauens. Auch René Jacob,
Bäckermeister aus Burgund, gehört im September 1915
zu den Einheiten, die bei Soissons in Nord-West-Frankreich an
die Front geschickt werden. Dabei sehen sie die Härte der
vorangegangenen Kämpfe. "Comment décrire ? Quels mots prendre ? Tout à l'heure nous avons traversé Meaux, encore figé dans l'immobilité et le silence, Meaux avec ses bateaux lavoir coulés dans la Marne et son pont détruit ... Wie soll man es beschreiben ? Mit welchen Worten ? Gerade sind wir durch Meaux gezogen, die Stadt ist ausgestorben und still. - Meaux mit seinen auf der Marne versenkten Schiffen und seiner zerstörten Brücke. Danach haben wir die Landstraße nach Soisson genommen und die Stelle erklommen, die uns auf die nördliche Hochebene führt. Und auf einmal, als würde man einen Theatervorhang vor uns lüften, erschien vor uns das Schlachtfeld mit all seinem Grauen. Leichname von Deutschen am Rand der Landstraße. In den Senken und Feldern schwärzliche, grünliche zerfallene Leichname, um die herum unter der Septembersonne Mückenschwärme schwirren: Menschliche Leichname in merkwürdiger Haltung , die Knie in die Luft gestreckt oder einen Arm an die Böschung des Laufgrabens gelehnt; Pferdekadaver, was noch schmerzlicher als menschliche Leichname ist, mit auf dem Boden verstreuten Gedärmen; Leichname, die man mit Kalk oder Stroh, Erde oder Sand bedeckt, die man verbrennt oder begräbt. Ein schrecklicher Geruch, ein Beinhausgeruch steigt aus dieser Verwesung hervor. Er packt uns an der Kehle und für viele Stunden wird er nicht ablassen. Gerade, als ich diese Zeilen schreibe, fühle ich ihn noch um mich, was mir das Herz zuschnürt. Vergeblich bemüht sich der in Böen über die Ebene wehende Wind all dies wegzufegen; es gelang ihm, die Rauchwirbel zu vertreiben, die von diesen brennenden Stapeln aufstiegen; aber er vermochte nicht den Geruch des Todes zu vertreiben. "Schlachtfeld" habe ich vorher gesagt. Nein, nicht Schlachtfeld, sondern Gemetzelfeld. Denn die Leichname , das hat nichts zu bedeuten. Bis jetzt habe ich hunderte ihrer verzerrten Gesichter und ihre verrenkten Haltungen gesehen und vergessen. Aber, was ich niemals vergessen werde, ist die Verschandelung der Dinge, die gräßliche Verwüstung der Hütten, das Plündern der Häuser.
... Mais ce que je n'oublierai jamais, c'est
la ruine des choses, c'est le saccage abominable des chaumières,
c'est le pillage des maisons.
René Jacob , der Bäcker aus Burgund,
fällt ein Jahr später an der Front bei Verdun. |