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Lange Nacht
Manuskript vom: Samstag 12.5.2001   • 23:05

Eine Lange Nacht zum 100. Geburtstag der Dichterin Rose Ausländer
Mein Atem heißt jetzt
Rose Ausländer
Rose Ausländer
Autor:  Helmut Braun

Am 11. Mai 1901 "im seidigen Grün einer Mainacht" wurde Rose Ausländer in Czernowitz in der Bukowina geboren. Sie starb am 3. Januar 1988 in Düsseldorf.

Fast das ganze 20. Jahrhundert umschließt das Leben der Dichterin; zwei Weltkriege, Flucht und Vertreibung, Shoa und Exil. Sie wurde zur Nomadin, die, nach dem Verlust der Heimat zwischen Europa und Amerika pendelnd, vergeblich versuchte, sich an einem Ort dieser Erde erneut zu verwurzeln.

Einzig die Sprache blieb ihr - "unser verwundetes/geheiltes Deutsch"; "Mutter Sprache" wurde ihre Heimat; sie lebte in ihrem "Mutterland Wort". Die "eingebrannten Jahre" der Shoa finden sich als Metatext in all ihren Gedichten. Aber auch die "Glücksmomente" haben Spuren hinterlassen.

Helmut Braun betreute die Lyrikerin von 1975 bis 1988 und besuchte sie während ihrer zehnjährigen selbstgewählten Bettlägerigkeit und Isolation an die fünfhundertmal: jeden Freitag um 18.45 Uhr. Er erzählt aus dem Leben Rose Ausländers und stellt ihr Werk vor. Die Gedichte liest Ulrike Krummbiegel.

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Rose Ausländer liest eigene Gedichte
Denn

Denn
ich hab dir
nichts versprochen
nur den Docht für die Lampe
und das Kännchen Öl
für gedämpftes Licht
auf dem Tisch
mit den Blutflecken

Den Teppich
kann ich nicht weben
mit den Fäden aus Draht

Sag nicht "Gute Nacht"
die Nacht ist nicht gut
die fremde vergeßliche Nacht

Es bleibt noch vieles zu sagen
Rose Ausländer liest eigene Gedichte
Rose Ausländer-Stiftung
Audio Bukowina 1
Audio Östlich
Audio Kindheit
Audio Im Chagall-Dorf
Audio Pruth

 


Rose Ausländer
1939

Frau Dr. Hildegard Hamm-Brücher zu den Literatur- und Ausstellungswochen in Lichtenwalde "100 Jahre Rose Ausländer" (Auszug)

...Dreifache Nachteile musste sie überwinden: Sie war eine Frau, eine Jüdin und eine Lyrikerin.

Als Frau gehörte sie zu der zu ihren Lebzeiten noch völlig unterprivilegierten Hälfte der Menschheit, die ihre Bildung, ihre Ausbildung, ihr selbständiges berufliches Fortkommen, ihr Leben außerhalb der bürgerlichen Normen, ihre Selbstbestimmung ertrotzen und unter großen Opfern ankämpfen musste.

Als Jüdin - nichtreligiös aber sich immer zum Volke der Juden bekennend - war sie der Verfolgung und Vernichtung ihres Volkes ausgesetzt, von ihr erlebt und erlitten. Im Ghetto von Czernowitz. Sie überlebte, Körper und Seele versehrt und für den Rest ihres Lebens von traumatischen Schäden gezeichnet.

Als Lyrikerin wurde sie Jahrzehnte nicht wahrgenommen. Lyrik hat die leiseste Stimme von allen Künsten, Poesie taugt nicht für lärmendes "Event".

So bedurfte es schier unerschöpflicher Kreativität und Vitalität um zu schreiben, schreiben, schreiben. ... Es ist ihr gelungen, "sich mit wenigen Worten ins Nichts zu schreiben", es wird sie "ewig aufbewahren". Wir schulden ihr Dank und Bewunderung für ihr Lebenswerk.

 



Warum
Original-Handschrift
Mein Atem

In meinen Tiefträumen
weint die Erde
Blut

Sterne lächeln
in meinen Augen

Kommen Menschen
mit vielfarbnen Fragen
Geht zu Sokrates
antworte ich

Die Vergangenheit hat mich gedichtet
ich habe
die Zukunft geerbt

Mein Atem heißt
jetzt

 



Stimmen
Original-Handschrift

Rose Ausländer-Stiftung / Freundeskreis Rose Ausländer

Rose Ausländer-Stiftung
Gleueler Straße 277
D-50935 Köln
E-Mail: Info@RoseAuslaender-Stiftung.de
Freundeskreis Rose Ausländer
Zündorfer Wehrturm
Hauptstraße 181
D-51143 Köln
Fax: 0049 / 2203 / 988622

Die Rose Ausländer-Stiftung in Köln betreut den literarischen Nachlass von Rose Ausländer, der Eigentum der Stadt Düsseldorf ist und im Heinrich Heine-Institut in Düsseldorf aufbewahrt wird.

Die Stiftung ist im Besitz zahlreicher Materialien zu Leben und Werk von Rose Ausländer. Diese Bestände wurden in Deutschland, Österreich, Rumänien, in der Ukraine und in den USA zusammengetragen. Alle Bücher Rose Ausländers, einschließlich der Übersetzungen in andere Sprachen, die Literatur über ihr Leben und Werk sowie diverse wissenschaftliche Texte sind im Bibliotheksbestand vorhanden.

Die Stiftung initiiert und fördert die literaturwissenschaftliche und historische Arbeit unter Einbeziehung des Nachlasses und der anderen Materialien. Die Vorbereitungen zur kritischen Ausgabe des Werkes von Rose Ausländer haben begonnen.

www.roseauslaender-stiftung.de
www.literaturhaus.at/zirkular/archive_institutionen/auslaender
www.exil-club.de/html/03_biografien/schriftstellerinnen/rauslaender.html

 



Mutterland

Mein Vaterland ist tot
sie haben es begraben
im Feuer

Ich lebe in meinem Mutterland
Wort

 



1904


1914


1964


1976

Kurz-Biographie

Am 3. Januar 1988 starb hochbetagt die Dichterin Rose Ausländer, deren bewegtes Leben und literarische Schaffen Gegenstand einer Ausstellung in der Universitätsbibliothek ist.

Geboren wurde Rose Ausländer am 11. Mai 1901 als Rosalie Beatrice 'Ruth' Scherzer in Czernowitz in der Bukowina, einem multi-ethnischen Gebiet im damaligen Österreich. Heute gehört sein nördlicher Teil zur Ukraine, der südliche zu Rumänien.

Sie besuchte deutschsprachige Schulen in Czernowitz und Wien und machte 1919 ihre Matura. Das Studium der Literatur und Philosophie fand durch den Tod des Vaters ein Ende, zusammen mit ihrem späteren Ehemann Ignaz Ausländer wanderte sie 1921 nach Amerika aus. Dort arbeitete sie als Hilfsredakteurin bei einer Zeitschrift in Minneapolis und publizierte ihre ersten Gedichte, später zog sie nach New York, wo sie als Bankangestellte arbeitete. Sie erhielt 1926 die amerikanische Staatsbürgerschaft, die ihr jedoch 1934 wieder aberkannt wurde wegen dreijähriger Abwesenheit aus den USA. Immer wieder zog es sie nach Europa, nach Czernowitz und Bukarest. Sie hatte sich 1926 von ihrem Mann getrennt und lebte zwischen 1931 bis 1935 mit Helios Hecht zusammen, hauptsächlich in Bukarest. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie als Englischlehrerin und als Arbeiterin in einer chemischen Fabrik.

Zwischen 1931 und 1936 erschienen viele Gedichte in Anthologien und Zeitschriften, sie lieferte auch journalistische Beiträge. 1939 kam in Czernowitz ihre erste Buchpublikation 'Der Regenbogen' heraus, für lange Zeit das letzte Buch von ihr.

1941 besetzten die Nazis die Bukowina und sie lebte bis zur Befreiung 1944 unter ständiger Todesfurcht im Getto der Stadt, später in Kellerverstecken. Dort traf sie Paul Celan, der auf ihre Gedichte aufmerksam wird. Nach dem Einmarsch der russischen Truppen arbeitete sie für kurze Zeit in der Stadtbibliothek von Czernowitz, das nun zur Ukraine gehörte. 1945 stellte sie einen Ausreiseantrag nach Rumänien und reiste dann im folgenden Jahr gleich weiter nach New York.

Dort fand sie Arbeit als Fremdsprachenkorrespondentin in einer Spedition, wo sie 1961 krankheitshalber ausschied. Zwischen 1949 und 1956 schrieb Rose Ausländer ausschließlich auf Englisch.

Auf einer mehrmonatigen ausgedehnten Europareise 1957 traf sie mehrmals mit Paul Celan zusammen und begann wieder Deutsch zu schreiben.

Bald nach ihrem Auscheiden aus der Spedition bereitete sie ihre Übersiedelung nach Europa vor. Zunächst wollte sie nach Wien, wo inzwischen auch ihr Bruder Aufnahme gefunden hatte, ließ sich 1965 jedoch endgültig in Düsseldorf nieder. Hier erschien noch im selben Jahr der Band 'Linder Sommer', ihre erste Buchpublikation seit 1939.

Bis 1971 war ihr Leben gekennzeichnet von zahlreichen Reisen - 1968 noch einmal, zum letzten Mal, nach Amerika - und einer steigenden Berühmtheit. Beinahe jedes Jahr erschien nun eine Gedichtssammlung. Im Jahre 1977 las die Autorin zum letzten Mal in der Öffentlichkeit anläßlich einer Preisverleihung. Seit 1978 lebte sie ans Bett gefesselt im Nelly-Sachs-Haus in Düsseldorf. Sie schrieb jedoch weiter bis zu ihrem Tode.

 



Schnee
Original-Handschrift
Suchen I

Ich suche
eine Insel
wo man atmen kann
und träumen
daß die Menschen gut sind

 





Rose Ausländer
Gedichte.
Hrsg. v. Helmut Braun. 2001.
Fischer (S.), Frankfurt

Helmut Braun
'Ich bin fünftausend Jahre jung', Rose Ausländer.
Zu ihrer Biographie. 1999.
Radius-Verlag

"Weil Wörter mir diktieren: Schreib und."
Literaturwissenschaftliches Jahrbuch
Rose Ausländer-Stiftung 1999

Rose Ausländer
Ursula Raetjen
Meine liebe Frau Ratjen .... Grüße auch an Wolfi
Briefwechsel Rose Ausländer-Stiftung


"Mutterland Wort"
Rose Ausländer 1901 - 1988
Rose Ausländer-Stiftung 1999
Hrsg. von Helmut Braun

Annette J Lehmann
Im Zeichen der Shoah.
Aspekte der Dichtungs- und Sprachkrise bei Rose Ausländer und Nelly Sachs.
Stauffenburg Colloquium Bd.47. 1999.
Stauffenburg

Rose Ausländer
Materialien zu Leben und Werk
Herausgegeben von Helmut Braun
Fischer Taschenbuch 1992

Rose Ausländer
Wieder ein Tag aus Glut und Wind
Gedichte 1980 - 1982
S. Fischer Verlag 1986

Rose Ausländer
Jeder Tropfen ein Tag
Gedichte aus dem Nachlaß
mit Gesamtregister
S. Fischer Verlag 1990

 



1931


1949
Fischer Taschenbücher (Auswahl) von Rose Ausländer

Bd.11152
Denn wo ist Heimat?

Bd. 11153
The Forbidden Tree

Bd.11154
Die Musik ist zerbrochen

Bd.11157
Gelassen atmet der Tag

Bd. 11159
Treffpunkt der Winde

Bd.11160
Hinter allen Worten

Bd, 11162
Und nenne dich Glück

Bd. 11163
Brief aus Rosen

Bd.11165
Die Nacht hat zahllose Augen

Bd. 11166
Schattenwald

Hügel aus Äther unwiderruflich
Fischer (S.), Frankfurt 1984

Im Aschenregen; Die Spur deines Namens
Fischer (S.), Frankfurt 1984

Immer zurück zum Pruth
Fischer (TB.), Frankfurt 1989

Jeder Tropfen ein Tag
Fischer (S.), Frankfurt 1990

 




Meine Toten schweigen tief

Gedichte von Rose Ausländer
Fotos von H. Zwi Szajer
Alano Verlag 1988

Schnell

Schnell wie Wasser
rinnt die Zeit

Länder schwimmen
manche gehen unter

Schiffe ziehn
von Welt zu Welt

Dort gibt es Krieg
Hier atmet
noch ein Weilchen
der Frieden

Kinder hungern
Gib ihnen
Brot und Liebe

Ein Bild
Ein Wort
Musik
Wir schaffen Wunder

Schnell wie Wasser
rinnt dein Leben

 



Seit 1978 lebte Rose Ausländer ans Bett gefesselt in Düsseldorf.

Späte Anerkennung
Rose Ausländer in ihrer Heimatstadt Czernowitz geehrt
Deutschlandfunk - Aus dem literarischen Leben vom 7.5.2001
http://www.dradio.de/cgi-bin/es/neu-lit-l/286.html

Eislaken auf Feldern
Eine Lange Nacht über die jüdische Kulturmetropole Czernowitz
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/langenacht/990115.html

 



Othmar Andrée
Czernowitzer Spaziergänge
Annäherungen an die Bukowina

Dieses Konvolut von Essays, Aufsätzen und Impressionen erwuchs aus Beobachtungen und Wahrnehmungen des Autors in einer Landschaft, die als ehemalige und östlichste Provinz der Habsburgermonarchie bis heute weitgehend dem mitteleuropäischen Bewusstsein entrückt ist und erst allmählich, von ihrer Celanschen "Geschichtslosigkeit" befreit, für Tourismus, Literatur und kulturelles Schaffen zurückgewonnen wird. Im Spiegel historischer und literarischer Recherchen nähert sich Othmar Andrée einer "Gegend, in der Menschen und Bücher lebten", durchstreift eine Region, die trotz aller Probleme, mit denen sie heute zu kämpfen hat, in ihrer Vitalität, Toleranz und Vielgesichtigkeit überrascht. Othmar Andrée erzählt von der verblichenen Glorie altösterreichisch-kakanischer Gassen, vom Charme ihrer Architektur, vom eigentümlichen Zauber und der Aura einer vergessenen Bürgerlichkeit. Aus der großen goldenen Epoche der Bukowina unter Habsburgs Krone strahlt etwas wie ein matter Glanz in unsere Tage herüber, der sich über zwei Weltkriege und ein halbes Jahrhundert Sowjetismus erhalten hat, der Aufmerksamkeit verdient und der zu konservieren lohnt. Trotz der objektiven Schwierigkeiten, die mit einer Reise in diese Landschaft verbunden sind, ihrer geografischen Ferne, ihrer politischen und touristischen Unzugänglichkeit, ihrer historischen Entrückung, hinter der sie sich eher unfreiwillig verbirgt, sind wir aufgerufen, sie neu in Erfahrung zu bringen...
Mehr zu Czernowitz unter: http://www.czernowitz.de

 



Rose Ausländers Grab auf dem jüdischen Friedhof, Düsseldorf

A small group of Bukovina landsmen, have decided to establish, at their own cost and expense, a center, that will provide to interested parties, Bukovina landsmen and others, worldwide information on existing written sources relating to their "roots", the period of the Holocaust; the years before and after.

The information, namely bibliographies and synopses, will be dispersed through this web site and other means.
http://www.jewishbukovina.org/

 



 

 

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